Alltag in Bildern

Tag der offenen Tür beim Projekt u25
Seit 2020 gibt es das gemeinsame Projekt u25 von Jobcenter Mönchengladbach, Stadt Mönchengladbach (Fachbereich Kinder, Jugend und Familie) und Reha-Verein.
Nach verschiedenen Aktionen, Preisen und coolen Spenden (zuletzt Thermoschlafsäcke und Winterjacken von der Nordkurve Borussia) geben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen jetzt ganz persönliche Einblicke in ihre Lebensgeschichte und aktuelle Situation.
Wie sieht der Alltag der jungen Menschen aus und was hat sie in die derzeitige Lebenssituation gebracht? Um das zu schildern, haben sie sich auf den Weg gemacht und dokumentieren jetzt ihren Alltag mit Texten und mit eigenen Fotos. Die ausgestellten Texte und Fotos/Collagen auf Pinnwänden schildern eindrücklich die verschiedenen Schicksale und mehr als einmal muss man schlucken: was hier 19 – 25jährige schon durchlebt haben, das erleben viele anderen in ihrem ganzen Leben nicht.
Allen gemeinsam ist ein erschwerter Start ins Leben: zerrüttete Familienverhältnisse, sei es durch psychische Erkrankung der Eltern, Drogen, Trennung, Scheidung und wechselnde Partnerschaften, in denen die Kinder sich häufig abgelehnt fanden, teilweise auch mit heftigen Gewalterfahrungen., das Ganze oft verbunden mit häufigem Orts- und Schulwechsel, auch mit wechselnden Bezugspersonen. Nicht selten sind das Großeltern oder ältere Geschwister, bei einem Teilnehmer stellte die Großmutter sogar den Kontakt zu u25 her. Die „gebrochene“ Kindheit mündet in der Regel in eine gebrochene schulische Laufbahn, die meisten haben – teilweise nach mehrfachem Schulwechsel, oft mit Mobbing-Erfahrungen – keinen Schulabschluss, so dass auch der Übergang in eine Ausbildung kaum möglich ist und – wenn überhaupt – nur eine Helfertätigkeit bleibt, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.
Wenn man sich nirgendwo heimisch und geborgen fühlt, vielleicht auch bei den Angehörigen „rausfliegt“, dann ist der Weg in die Obdachlosigkeit nicht weit. Viele versuchen die negativen Erfahrungen und Gefühle, aber auch die Kälte im Winter durch Drogen zu betäuben, zum Erwerb wird dann zum Teil auch gedealt, was wiederum nicht selten zu (wiederholten) Haftstrafen führt. Frauen findet man unter den obdachlosen jungen Menschen eher weniger, aber nicht weil es sie nicht gibt, sondern weil sie häufig bei Freunden unterkommen, die Schlafstätte aber dann nicht selten mit ihrem Körper „bezahlen“, was zu einer weiteren Problematik führt. „Unter unseren Besucherinnen haben wir vermehrt Schwangere, oft wissen sie nicht, dass das Jobcenter Verhütungsmittel bezahlen würde“, erklärt Yvonne Hering, Teamleiterin von u25.
Aus diesem Kreislauf herauszukommen ist schwer und ohne Unterstützung kaum möglich. Eine Zielsetzung von u25 ist zum einen, eine Anlaufstelle für die Dinge des täglichen Lebens zu sein: hier kann man sich ausruhen, Wäsche waschen, duschen und kostenlose Mahlzeiten einnehmen. Darüber hinaus bieten die Mitarbeiterinnen individuelle Gespräche an: sie helfen bei persönlichen Problemen, unterstützen bei Behördengängen, stellen den Kontakt zum Jobcenter her und helfen nicht zuletzt bei der Suche nach einer eigenen Wohnung, denn ein sicherer privater Ort ist eine wesentliche Voraussetzung, um seinem Leben eine neue eigenverantwortliche Struktur zu geben. Nicht einfach, wenn man auf der Straße lebt und kaum Gelegenheit hat, sich zu waschen und saubere Kleidung anzuziehen, aber „nicht vollgestunken zur Besichtigung kommen will“, wie ein Teilnehmer schreibt. Trotzdem gibt es bei der Wohnungssuche eine Erfolgsbilanz: die meisten, die an diesem Tag in der Ausstellung anwesend sind, haben eine Wohnung gefunden, in die sie allein, mit Partner*in und/oder eigenem Kind einziehen können. U25 wird aber weiterhin eine wichtige Anlaufstelle für sie bleiben.
Fazit und Plädoyer:
Die Förderung des Jobcenters für u25 war in der derzeitigen Form von Anfang an bis 2026 begrenzt, wird aber voraussichtlich in etwas anderer Form fortgesetzt. Wie wichtig es ist, Jugendliche und junge Erwachsene in derart schwierigen Lebensphasen aufzufangen und zu unterstützen, wurde an diesem Tag wieder deutlich. Kinder psychisch kranker Eltern haben beispielsweise ein bis zu 50% erhöhtes Risiko, selbst psychisch krank zu werden. Lässt man sie „fallen“, so sind sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit „unsere Klientinnen und Klienten von morgen“, wie Sascha Schallenburger, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende im Reha-Verein erklärt. Und ein ähnliches Schicksal droht wiederum ihren Kindern, eine Kette ohne Ende. Umso wichtiger ist es, schon bei den Kindern anzusetzen und sie zu fördern, um diese Kette zu durchbrechen.
Immer wieder wird auch über die Abgänger*innen ohne Schulabschluss und andererseits über den drohenden Fachkräftemangel geredet: wäre hier nicht ein Ansatz gegenzusteuern?
Text: Angelika König, Fotos: Social Media Team Reha-Verein